Persönliche Erklärung

Ich bin am 08.07.2022 aus der Partei DIE LINKE ausgetreten.

Hier findet ihr mein Austrittsschreiben:

Liebe Genossinnen und Genossen,

hiermit trete ich mit sofortiger Wirkung aus der Partei „DIE LINKE.“ aus und lege damit auch die verbundenen Ämter als Kreisvorstandsmitglied, als LAG-Sprecher der Digitalen Linken, als Bundesparteitagsdelegierter und als Landesparteitagsdelegierter nieder.

Ich glaube nicht daran, dass die Verantwortlichen auf Bundes- oder Landesebene an einer Veränderung in meinem Sinne Interesse haben, sonst hätten Sie sich in letzter Zeit zumindest zuhörbereit gezeigt.

Deshalb ist auch dieser Text nicht an sie gerichtet sondern eine Erklärung an meine Genoss*innen die sich gemeinsam mit mir im Landesverband für eine solidarische Veränderung und Aufbruchskultur stark machen und an die Genoss*innen in meinem Kreisverband, mit welchen ich stets solidarisch, sachorientiert und konstruktiv für konkrete Verbesserungen im Landkreis zusammenarbeiten durfte.

Der Austritt ist mir als Mensch der sich seit 4 Jahren ehrenamtlich für diese Partei in einem ländlichen Kreisverband engagiert hat nicht leicht gefallen. Ich habe sehr gern und leidenschaftlich im Kreisverband in der kommunalpolitischen Arbeit teilgenommen und möchte insbesondere der großen Mehrheit der Genoss*innen in meinem Kreisverband unmissverständlich sagen: An euch lag es nicht!

Die Gründe die zu meinem Austritt geführt haben sind über die letzten 2 Jahre kontinuierlich angewachsen und haben heute mit der Entscheidung der Bundestagsfraktion zur NATO-Abstimmung eine endgültige rote Linie überschritten. Hauptsächlich ausschlaggebend ist weniger die Entscheidung an sich (welche ich persönlich falsch finde und nicht mittragen möchte) als mehr die Prozesse die im Vorfeld abgelaufen sind und mittlerweile typisch für die Partei stehen.

Zusammen mit anderen Genoss*innen habe ich einen Brief und Debattenbeitrag über die Abstimmung im Bundestag verfasst. Diesen haben wir an alle einzelnen Bundestagsabgeordneten geschickt um Diskussions- oder Denkprozesse anzuregen. Nach nur wenigen Stunden war allerdings die Presse (diesesmal Welt) über den Brief informiert. Es wurde also wie mittlerweile schon wohl in unseren Strukturen verankert ohne Not ein Brief an die Presse-Öffentlichkeit durchgestochen. Dies passiert mittlerweile nahezu täglich. Parteiinterne Streitigkeiten oder Diskussionen werden nur noch über die Presse und Social-Media Kampagnen ausgetragen. Eine Strömung (BWL) hat sich das sogar zum Hauptaktionsmittel gemacht.

Währenddessen weigert sich die Bundesgeschäftsstelle den Debattenbeitrag im Mitgliedermagazin zu veröffentlichen. Wenn ein Diskursraum bestehen sollte in der Partei, dann wohl doch im eigenene Mitgliedermagazin. Eine Partei in der der Parteiapparat darüber bestimmt über was die Mitglieder diskutieren dürfen, hat mindestens einen bitteren Beigeschmack, wenn man sich kritisch mit der eigenen historischen Verantwortung und Erbe auseinander setzen sollte. Auch im Landesverband sind Aufarbeitungs- oder Diskussionsprozesse mit Konsequenzen wie beispielsweise zu Wahlniederlagen bei Landtags- und Bundestagswahlen leider Fehlanzeige. Getroffene Beschlüsse des Landesparteitages werden schlicht nicht bearbeitet oder umgesetzt (wechselnde Tagungsorte, Hochschulpolitik, Diskussionsveranstaltung Russland-Sanktionen, Transparenz Landesvorstand, …).

Eine Debattenkultur zu Sachthemen existiert ebenfalls nicht: Wenn man einer anderen Strömung angehört ist man Feind und gehört niedergestimmt, egal welchen Sachantrag man jetzt eigentlich stellt. Man wird freundlich angelächelt und begrüßt und hört von unzähligen verschiedenen Quellen wie die gleichen Personen unwahre Gerüchte über einen verbreiten oder bei anderen über dich abkotzen.

Ich habe Diskussionen in der Partei aus meiner Sicht nie gescheut und auch Missstände aus meiner Sicht stets offen angesprochen. Das habe ich 3 Jahre konstruktiv über Gremien versucht und nachdem dort nach kurzen Nicken wieder zur Tagesordnung und selbst beweihräuchern übergegangen wurde auch im letzten halben Jahr zunehmend verbittert über Social-Media. Diese Person will und wollte ich nie sein. Ich musste jedoch feststellen, dass ich mit zunehmender Frustration auch gehässiger geworden bin, eine psychisch dauerhafte Belastung verschafft mir die Partei schon seit circa einem Jahr.

Gleichzeitig hat sich die Partei von mir inhaltlich entfernt. Über die öffentlichen Auftritte von bspw. Janine Wissler, Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch zum Ukraine-Krieg kann ich mich wirklich nur noch fremdschämen und möchte auch in der Öffentlichkeit nicht mit diesen Positionen verbunden werden. Dass diese wohl eine Mehrheit der Partei vertreten respektiere ich, nur sind es nicht mehr meine Positionen. Ich teilte nie diese Positionen konnte aber bis letztes Jahr zur Afghanistan-Abstimmung noch recht gut damit leben. Als Direktkandidat eine Abstimmung die ich grundlegend falsch fand und finde, im Wahlkampf verteidigen zu müssen hat mich sehr an der Sinnhaftigkeit meines Engagements zweifeln lassen.

Ich bin vor rund 4 ½ Jahren in diese Partei eingetreten, weil mir die Netzpolitik der Partei am meisten zugesagt hatte und ich den damaligen Rechtsruck durch ein Engagement in einer linken alternativen Kraft durch konkrete Projektarbeit für die Menschen aufhalten wollte.

Doch dies war die Partei nie: Stattdessen verstrickte sich die Partei seitdem in innerparteilichen Nabelschaudebatten über Regierungsbeteiligungen, persönliche Befindlichkeiten oder dem innerparteilichen Wettstreit wer der reinste Kleriker in der Erfurter Programmlehre ist. Einen wirklicher Raum für gemeinsame Arbeit für konkrete Verbesserungen für Menschen habe ich bisher nur durch eigene Arbeit im Kreisvorstand erlebt ohne, dass diesbezüglich Unterstützung von Bundes- und Landesverband erfolgt ist.

Die vermeintlichen Grundsätze der Partei empfinde ich mittlerweile als nur noch Makulatur:

  • DIE LINKE behauptet sie sei für eine solidarische Gesellschaft, doch in der Relität geht fast jeder CDU-Gemeinderat mit uns in Diskussionen solidarischer um als innerparteiliche Genoss*innen.
  • DIE LINKE behauptet sie stehe für Antifaschismus. Trotzdem ist es in Ordnung, dass ein faschistischer Agresor Nachbarländer überfällt und das verteidigende Land weder durch Waffenlieferungen noch über Wirtschaftssanktionen gegen den militärischen Agressor unterstützt wird. Betroffene Aktivist*innen aus den Ländern werden auf dem Bundesparteitag ausgebuht. Verschwörungstheorien dazu werden auch noch in der Partei tolleriert.
  • DIE LINKE behauptet sie stehe für Demokratie. Trotzdem werden Entscheidungen am laufenden Bande in kleinen Runden ausgedealt und das bessere Argument in einer Diskussion zählt nicht. Im Gegenteil lässt die Partei antidemokratische Einstellungen gewähren und hofiert diese Gruppierungen für den eigenen innerparteilichen Machterhalt.
  • DIE LINKE behauptet sie stehe für Feminismus. Trotzdem werden Opfer sexualisierter Gewalt auf dem Parteitag ausgebuht und Übergriffe führen in bestimmen Fällen erst nach immensem medialem Druck zu Konsequenzen. Unabhängige Untersuchungen gibt es nicht, stattdessen werden Personen die sich in der gleichen Strömung befinden, pauschal schon vor genauer Faktenlage freigesprochen.

Aus all diesen Gründen glaube ich, dass mein Engagement als demokratischer Sozialist außerhalb der Partei besser aufgehoben ist.

Ich wünsche allen die sich weiterhin für eine bessere Welt und Partei einsetzen weiterhin viel Erfolg. Meine Form des Engagements trifft es jedoch nicht mehr.

Ein letztes Mal solidarische Grüße,

Moritz Kenk

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